Man könnte vernünftigerweise annehmen, dass sich die ältesten Universitäten der Welt in Griechenland, Rom oder anderswo in Europa befinden. Doch die ältesten kontinuierlich betriebenen Universitäten der Welt reichen tatsächlich bis nach Nordafrika zurück. Beeinflusst vom muslimischen Wissensdurst während des islamischen Goldenen Zeitalters wurden die vier ältesten Universitäten der Welt im 8.-10. Jahrhundert in Tunesien, Marokko, Ägypten und Mali gegründet.

Dies geht aus einer Studie von Erudera, einer globalen Suchplattform für Universitäten und akademischen Programmen, hervor. Es heißt, die weltweit älteste kontinuierlich unterrichtende Bildungsstätte sei die 737 gegründete Ez-Zitouna-Universität in Tunesien

Erudera’s Forschung zeige, dass nur sehr wenige Frauen die erste Universität eines Landes gegründet hätten. Eine dieser Ausnahmen war die 859 von Fatima al-Fihri gegründete Al-Qarawiyyin in Marokko – die zweitälteste Universität der Welt.

Im 10. Jahrhundert entstanden die dritt- und viertälteste Universität - die ikonische Al-Azhar in Ägypten und die Sankore-Madrasah in Mali.

Obwohl Afrika ein Vorreiter beim Aufbau höherer Bildungseinrichtungen ist, zeigen die Untersuchungen, dass von den 100 Ländern, in denen Universitäten zuerst gegründet wurden, nur zehn afrikanisch sind. Tatsächlich wurde in 43 von 54 afrikanischen Ländern die erste Universität erst nach 1950 gegründet.

Älteste Universitäten in Europa und Asien

Während die Bildungssysteme in muslimischen Ländern florierten, litt Europa im dunklen Zeitalter. Obwohl Definitionsprobleme es schwierig machen, die Ursprünge von Universitäten zu datieren, glauben viele, dass die ersten Universitäten in Europa von den Madrasas und Bildungseinrichtungen in diesen muslimischen Ländern beeinflusst wurden.

Das moderne akademische Modell im Westen lässt sich auf Madrasas zurückführen, die über Wohnräume für Studenten, Fachfakultäten und Prüfungen verfügten.

Nach Angaben von Erudera entstand die erste Universität Europas im 11. Jahrhundert – 350 Jahre nach der tunesischen Ez-Zitouna. Die Universität Bologna in Italien war die erste, die 1088 gegründet wurde, gefolgt von der britischen Universität Oxford im Jahr 1096.

Blick auf das Archiginnasio von Bologna, Teil der Universität Bologna

In Asien spielte wiederum der muslimische Einfluss eine bedeutende Rolle. Die Universität für Wirtschaftswissenschaften im Iran, heute Teil der Kharazmi-Universität, wurde 1315 gegründet. Sie ist Asiens erste Universität und die neuntälteste der Welt.

Die zweitälteste asiatische Universität ist die Sungkyunkwan-Universität in Südkorea (1398). Die drittälteste in Asien wurde ebenso von der muslimischen Herrschaft beeinflusst – die Universität Istanbul in der Türkei (1453). 

Universität Istanbul

In der antiken Türkei befanden sich auch angesehene Bildungszentren. Die Harran-Universität in Sanliurfa wurde 717 vom umayyadischen Kalifen Umar II. gegründet und wird oft als die älteste Universität der Welt betrachtet. Um Harran zu einer akademischen Kraft zu machen, berief Kalif Umar II. viele prominente Gelehrte zum Studium an die Institution. Zu Spitzenzeiten absolvierten mehr als 8.000 Studenten ein vielfältiges Programm, das Kunst, Naturwissenschaften und Islamwissenschaft umfasste. Sie wurde im 16. Jahrhundert geschlossen.

Ruinen der Harran-Universität, Sanliurfa

In Nordamerika wurden im 16. Jahrhundert die ersten Universitäten in Lateinamerika und der Karibik gegründet. Papst Paul III. baute die ersten beiden: St. Thomas Aquinas Universität in Dominica und die Autonome Universität Santo Domingo in der Dominikanischen Republik. Die drittälteste Universität ist die Nationale Autonome Universität von Mexiko, die 1551 vom spanischen König Carlos I. gegründet wurde. Die erste Universität in den USA war die Harvard University, die 1636 gegründet wurde.

Historisches Gebäude der Harvard University in Massachusetts, USA

Nordafrikas Erbe des Lernens

Ez-Zitouna-Universität – Tunis, Tunesien

Die älteste Universität der Welt im Dauerbetrieb ist die Ez-Zitouna-Universität in Tunis. Die im Jahr 737 während des Umayyaden-Kalifats gegründete Universität hatte ihren Ursprung in der Al-Zaytuna-Moschee und war auch eine Madrasa. Die Universität diente zunächst als Zentrum für religiöse und islamische Rechtswissenschaft. Seitdem hat sie modernere Bildung integriert, behält aber weiterhin ihre traditionellen islamischen Grundlagen bei. Zu den berühmten Absolventen zählen der Gelehrte Abdul-Rahman Ibn Khaldun und der tunesische Dichter Abou el Kacem Echebbi.

Al-Zaytuna-Moschee, Tunis

Al-Qarawiyyin-Universität – Fes, Marokko

Die Al-Qarawiyyin-Universität in Fes wurde 859 von Fatima al-Fihri gegründet und entwickelte sich zu einem der führenden Bildungszentren des islamischen Goldenen Zeitalters. Es wird angenommen, dass sie das von ihrem Vater geerbte Geld für den Bau der Moschee verwendet hat, die sich später zu einer Lehreinrichtung und dann zu einer Universität entwickelte. Obwohl sie laut UNESCO und Guinness World Records die zweitälteste Universität auf dieser Liste ist, ist sie die weltweit erste Bildungseinrichtung, die einen Abschluss verlieh. Zu den berühmten Absolventen, die dort studiert haben, gehören der muslimische Philosoph Ibn Rushd, Papst Sylvester II. (der nach seinem Studium hier arabische Ziffern in Europa eingeführt haben soll) und Maimonides – der berühmte jüdische Philosoph.

Al-Qarawiyyin-Universität, Fes

Al-Azhar-Universität – Kairo, Ägypten

Die Al-Azhar-Universität ist eine der am meisten verehrten Bildungseinrichtungen in der muslimischen Welt und bekannt für ihre zentrale Rolle in der islamischen Wissenschaft und Lehre. Sie wurde 970 n. Chr. während des Fatimiden-Kalifats gegründet, um islamische Rechtswissenschaft, Koranstudien und Theologie zu lehren. Nach und nach erweiterte sie ihren Lehrplan um verschiedene Fächer der Islamwissenschaften, der arabischen Sprache, der Philosophie und anderer Disziplinen. Heute ist Al-Azhar nicht nur eine Universität, sondern eine angesehene Institution, an die sich sunnitische Muslime wenden, wenn sie Rat und Hilfe suchen. Zu den bemerkenswerten Absolventen zählen der mittelalterliche Mathematiker und Physiker Ḥasan Ibn al-Haytham, der als „Vater der modernen Optik“ bezeichnet wird, und der Gelehrte Ibn Hajar Asqalani aus dem 15. Jahrhundert.

Al-Azhar-Universität, Kairo

Sankore-Moschee und Universität – Timbuktu, Mali

Die viertälteste Universität der Welt wurde 989 gegründet. Die Sankore-Moschee wurde vom Herrscher Mansa Musa, der oft als der reichste Mensch der Geschichte bezeichnet wird, in eine Madrasa umgewandelt. Berichten zufolge beherbergte die Madrasa einst 25.000 Studenten (in einer Stadt mit 100.000 Einwohnern) aus verschiedenen Ländern und verfügte über eine der größten Bibliotheken der Welt.

Sankore-Moschee, Timbuktu

Muslimischer Einfluss in Europa

Die Forschung von Erudera befasst sich mit den ältesten Universitäten der Welt, die heute noch in Betrieb sind. Aber viele Bildungseinrichtungen in Europa, die heute leider nicht mehr bestehen, wurden von Muslimen gegründet.

Der Höhepunkt kam mit dem Umayyaden-Kalifat im Spanien des 10. Jahrhunderts. Diese Zeit wird oft als „goldenes Zeitalter“ des Lernens beschrieben, in dem in den al-Andalus-Regionen Bibliotheken und Bildungseinrichtungen eingerichtet wurden. Cordoba war neben Sevilla und Granada ein intellektuelles Zentrum des Westens. So sehr, dass europäische Aristokraten ihre Kinder oft zum Studium von Naturwissenschaften wie Chemie, Physik, Medizin und Astronomie an diese muslimischen Institutionen schickten. 

Die 1349 gegründete Madrasa von Granada war die erste öffentliche Universität von Al-Andalus

Entdecken Sie das umayyadische Erbe Spaniens in unserem speziellen Blogartikel: „Spanien – ein Reiseziel, das sein umayyadisches Erbe wiederentdeckt“.

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